Reduziere CO2

Aber richtig!

Wolf Wedel von Reduziere CO2

Der Klimawandel ist eine Bedrohung, die jeden von uns etwas angeht - viele fühlen sich aber machtlos. Wolf Wedel von www.reduziere-CO2.org ermöglicht es Privatpersonen und Unternehmen, ihren CO2-Ausstoß auszugleichen und so einen aktiven Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten. Welches Konzept dahintersteht, kannst Du im Interview nachlesen. 

Wer seid Ihr und was ist Euer Konzept?

Ich bin Wolf von www.reduziere-CO2.org und schon seit meinem ersten Solarbaukasten begeistert von der Möglichkeit Energie zu produzieren ohne schädlich auf die Umwelt einzuwirken. Wir ermöglichen es Privatpersonen und Unternehmen ihren CO2-Ausstoß auszugleichen. Durch die dadurch angestoßenen Veränderungen in der europäischen Industrie kann jeder gegen den Klimawandel aktiv werden.

Seit wann gibt es www.reduziere-co2.org und wie seid Ihr auf die Idee gekommen?

Aktiv gebe ich mit www.reduziere-co2.org seit November 2021 den Menschen in Deutschland die Möglichkeit CO2 -Zertifikate zu kaufen. Entstanden ist die Idee basierend auf den Ergebnissen meiner Forschungstätigkeit an der TU München. Dort habe ich mich intensiv mit den Möglichkeiten Treibhausgasemissionen einzusparen auseinandergesetzt. Dabei ist immer wieder deutlich geworden, dass es entscheidend ist die gesellschaftlichen Folgekosten des Klimawandels beim Verursacher, d. h. beim Unternehmen, dass sich entscheidet fossile Brennstoffe zu nutzen, in Rechnung zu stellen um das Gesamtsystem klimafreundlicher zu machen. Die Schadenskosten durch den Ausstoß einer Tonne CO2 werden vom Umweltbundesamt auf 180 € bis 698 € geschätzt, je nach zeitlichem Bezugsrahmen und Abzinsung. Eine Privatperson hat üblicherweise keine Möglichkeit zu verhindern, dass ein Unternehmen für die Bereitstellung von Dienstleistungen und Produkten einen CO2–Ausstoß verursacht. Das wollte ich ändern.

Bei Euch kann man CO2-Zertifikate kaufen - was ist so ein CO2 -Zertifikat und was steckt hinter dem Emissionshandel?

Ein CO2-Zertifikat gibt dem Halter des Zertifikats (in der Regel sind dies Unternehmen) die Erlaubnis eine bestimmte Menge CO2 auszustoßen. Diese Zertifikate werden von der EU ausgegeben und müssen zum größten Teil von den Unternehmen an der Strombörse gekauft werden. Die jährliche Menge an Zertifikaten ist dabei limitiert und sinkt mit der Zeit ab, sodass auch die Gesamtmenge des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2050 limitiert ist. Viele Bereiche der europäischen Industrie müssen solche Zertifikate kaufen und an die zuständigen Kontrollstellen überweisen um CO2 ausstoßen zu dürfen. Ich bin der Meinung, dass der erlaubte CO2-Ausstoß noch immer zu hoch ist und wir den Ausstoß klimaschädlicher Gase schneller reduzieren müssen. Deshalb ermöglichen wir es Privatpersonen, eine beliebige Menge CO2-Zertifikate über uns stilllegen zu lassen. Das bedeutet, wir garantieren, dass diese CO2-Zertifikate nicht mehr von der Industrie genutzt werden können, da sie auf einem speziellen Konto bei der EU eingelagert und nie wieder in Umlauf gebracht werden.

Was ist der langfristige Effekt, bzw. was würde passieren, wenn jeder CO2 Zertifikate über euch einlagern lassen würde?

Das ist das spannende daran: je mehr Zertifikate von Privatverbrauchern stillgelegt werden, desto teurer wird das einzelne CO2-Zertifikat. Dadurch wird es für Unternehmen, die CO2 -Zertifikate nach europäischer Regelung kaufen müssen, immer teurer so CO2-intensiv zu produzieren wie bisher. Es steigt für diese Unternehmen somit der Anreiz auf neue, CO2 -ärmere und damit klimafreundlichere Alternativen umzusteigen.

Ist denn der CO2-Ausstoß im privaten Bereich wirklich so groß?

Tatsächlich ist der private Bereich im Endeffekt für jeden CO2-Ausstoß verantwortlich. Alle wirtschaftlichen Aktivitäten sind mehr oder weniger direkt auf den Konsum von Endverbrauchern ausgerichtet. Das heißt: Jedes Kilogramm CO2 in der Industrie entsteht im Prinzip durch die Nachfrage aus dem privaten Bereich irgendwo auf der Welt. Das gilt für die Produktion einer Zahnbürste genauso wie für die eines LKWs, der eingesetzt wird um die Zahnbürste zum Einzelhandel zu transportieren. Für Deutschland hat das Umweltbundesamt für jede Person einen jährlichen CO2-Ausstoß von etwa 11 Tonnen berechnet.

Wie kann ich bei Euch ein CO2 -Zertifikat kaufen?

Das ist ganz einfach. Du gehst auf unsere Homepage www.reduziere-co2.org und gibst den Betrag an für den du Zertifikate kaufen möchtest. Du kannst dann mit Kreditkarte oder EC-Karte bezahlen. Wir kaufen dann von unserer Seite die CO2-Zertifikate und lagern sie auf unserem Handelskonto ein. Von diesem Handelskonto werden niemals Zertifikate wegbewegt. Das bedeutet, der CO2 Ausstoß in Europa reduziert sich um genau diese eingelagerte Menge CO2-Zertifikate. Um ungenutzte Zertifikate, z. B. durch Wirtschaftskrisen abzubauen, wurde nach 2008 ein Mechanismus im Handelssystem der EU eingeführt. Von uns eingelagerte Zertifikate sorgen so als „stumme Reserve“ sogar dafür, dass im nächsten Jahr weniger Zertifikate von der EU ausgegeben werden. Es wird also zusätzlich zu der einmaligen Einsparung eine Art jährlicher Klimarendite in der Form weiterer CO2-Reduktion erwirtschaftet.

Wie viel mehr CO2 wird ausgestoßen, wenn ich meinen Honig z. B. aus Brasilien statt aus meiner Region kaufe?

Diese Frage lässt sich theoretisch einfach beantworten und ist doch komplex. Muss Honig aus Übersee in einem Container nach Deutschland transportiert werden, ist mit dem reinen Transport ein Ausstoß von ca. 570g CO2 pro Kilogramm Honig verbunden. Wenn man für 1 kg lokal produzierten Honigs ca. 1,47 kg CO2 ansetzt steigt die Klimawirkung also um fast 40% auf über 2 kg. Allerdings gibt es noch weitere Faktoren, die die Klimawirkung maßgeblich beeinflussen. Dazu gehören insbesondere die Haltungsbedingungen, also ob Wanderimkerei oder stationäre Imkerei praktiziert wird und die Fütterung der Bienen.

Kann ein Bienenvolk ausgestoßenes CO2 wieder “wettmachen”? Wenn ja, wie hoch ist dieser Beitrag?

Der CO2 -Ausstoß der durch Imkerei verursacht wird ist im Vergleich zu anderen Nahrungsmitteln, wie zum Beispiel Fleisch oder Käse, nicht besonders hoch (SPIonWeb der TU Graz), insbesondere wenn er zusammen mit der verzehrten Menge betrachtet wird (WWF). Da die Honigbiene zur Bestäubung und damit auch zur Biomasseproduktion beiträgt wird zusätzliches CO2 gebunden. Durch die Erhöhung der Produktivität in der Landwirtschaft wird gleichzeitig der Klimaeinfluss der Landwirtschaft verringert, da weniger Flächen für die gleiche Nahrungsmittelproduktion bewirtschaftet werden müssen. Diese Leistung zu quantifizieren, ist aber in meinen Augen auf der existierenden Datenbasis nicht seriös möglich und auch nicht unbedingt zielführend da sehr viele Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehört z. B. der Anteil eines Bienenvolkes an der Bestäubungsleistung innerhalb eines Gebiets, ob es Kompensationseffekte durch andere bestäubende Insekten geben würde (wenn das betrachtete Bienenvolk nicht vorhanden wäre) und ob es sich um bewirtschaftete Flächen handelt auf denen produzierte Biomasse innerhalb kürzester Zeit wieder am Kohlenstoffkreislauf teilnimmt, oder um naturbelassene Flächen auf denen ein Teil der Biomasse als Speicher mehrere Jahre erhalten bleibt.

Viel interessanter ist für mich die Rolle der Insekten in der Biodiversität. Nachhaltigkeit hat schließlich viele Dimensionen und die Verringerung des Ausstoßes von CO2 ist lediglich eine davon.

Welche Herausforderungen musstet Ihr seit der Gründung meistern?

Alle Tätigkeiten auf www.reduziere-co2.org sind für mich eine Herzensangelegenheit, dennoch ist es neben meiner Berufstätigkeit manchmal herausfordernd der Initiative genügend Zeit zu schenken. Trotzdem motiviert mich die Möglichkeit, möglichst viele Menschen zu erreichen und jedem die Möglichkeit zu geben auf einfache Art und Weise den CO2-Ausstoß in Europa zu reduzieren.

Einmal von CO2-Zertifikaten abgesehen - was kann der Einzelne tun, um seinen CO2-Ausstoß zu verringern?

Natürlich sind Verhaltensänderungen der größte Hebel den wir haben. Ich persönlich sehe hier insbesondere die Schlagworte Reuse and Recycle als wichtig an. Reuse, also Wiederverwendung, bedeutet, dass Artikel wie zum Beispiel Kleidung, Technik oder Kinderspielzeug mehr als einmal gebraucht werden. Zum Beispiel indem ich diese in einem Second-Hand Laden oder auf einschlägigen Plattformen kaufe, anstatt neue Waren zu kaufen. Gebrauchte Artikel sind theoretisch CO2 frei, wenn von Verpackung und Versand abgesehen wird. Aber auch hier ist die Fragestellung wie immer komplexer als es auf den ersten Blick scheint. Ein Markt für gebrauchte Artikel, motiviert einen Teil der Konsumenten Produkte vor dem Ende ihrer Lebensdauer durch neue zu ersetzen, während andere Menschen Dinge erwerben, auf die sie sonst vielleicht verzichtet hätten. Die Weiternutzung ist bestimmt besser als die Entsorgung, fördert aber auch zusätzlichen Konsum. Beim Recycling ist es wichtig, auf echtes Recycling zu bestehen, das vom Downcycling, also der Nutzung auf niedrigerer Wertstufe, und der thermischen Nutzung abzugrenzen ist. Trotz aller Bemühungen ist es leider so, dass wir durch unser tägliches Leben, durch unseren Beruf und die Tatsache in Deutschland zu leben, einen erheblichen Beitrag zum Klimawandel leisten. Egal wie sehr wir uns anstrengen, wir bleiben Teil des Systems. Genau an dieser Stelle sehe ich auch unsere Rolle. Dadurch, dass wir CO2 -Zertifikate aus dem Verkehr ziehen, können wir tatsächlich die Unternehmen dazu bewegen CO2 -ärmere Technologien einzusetzen. Ganz einfach, weil die Produktion mit CO2-intensiven Technologien dadurch in Zukunft teurer wird.

Was sind Eure Pläne für die Zukunft?

Ich möchte möglichst viele Menschen erreichen, um dadurch den Umstieg auf ein klimaneutrales Leben in unserer Gesellschaft zu beschleunigen. Die oder der Einzelne kann zwar einen wichtigen Beitrag leisten, aber nur gemeinsam können wir den Systemwandel wirklich beschleunigen.

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Ein Beitrag von Zoe von nearBees
vom 28.06.2022
aus der Serie „Green Business - ein Blick hinter die Kulissen“