Rauschbart und Rollenbild

Frauen in der Imkerei

Imkerausbildung in der DDR

Das Stereotyp des Bienenvaters ist der alte Mann mit Rauschebart, der sich stets väterlich um seine Bienenvölker kümmert. Er hat es sogar bis nach Hollywood geschafft: In “Mr Holmes” spielt Ian McKellen (den man wahrscheinlich am besten als Gandalf kennt) einen alternden Sherlock Holmes, der in seinem Hobby, der Imkerei, vollkommen aufgeht. 
Aber es gibt selbstverständlich nicht nur männliche Imker – zwar sind es viel weniger Frauen, auch heute noch, aber es gab und gibt sie, die Imkerinnen. Doch auch im Bereich der Bienenhaltung waren Frauen den Männern nicht immer gleichgestellt. Die Rolle der Frau war eng mit dem Bienenstock verknüpft, denn Bienen verkörperten für viele die ideale Gesellschaft. 

Der Bienenkönig und eine idealisierte Gesellschaft

Bienenhaltung hat eine lange Geschichte. Seit tausenden von Jahren sammeln Menschen Honig von wilden Honigbienen im Wald, später hielten sie die Bienen an Haus und Hof. Die Insekten faszinierten die Menschen und quer durch die Geschichte beschäftigte man sich mit ihnen. Unter denjenigen, die über sie schrieben, befinden sich verschiedenste bekannte Persönlichkeiten, von Aristoteles über William Shakespeare bis hin zu Wilhelm Busch. Die meisten von ihnen, zumindest über weite Strecken der Jahrhunderte, waren also Männer.
Über den Aufbau des Bienenstaates wurden heftig diskutiert: Bestanden Völker aus fleißigen und stets reinlichen weiblichen Bienen, die selbstverständlich von einem Bienenkönig regiert wurden? Oder waren die Bienen doch tapfere, männliche Krieger, die mit einem Stachel bewaffnet ihr Volk und ihren Bienenkönig verteidigten? Bei einer Sache war man jedoch einer Meinung: Der Bienenstock stellte das Idealbild der Gesellschaft voller arbeitsamer Individuen dar, in der Faulheit mit dem Tod bestraft wurde (Drohnenschlacht).

Imkerfamilie

Ausnahme Bienenstock

Ab dem 17. Jahrhundert war man sich weitgehend darüber einig, dass die meisten Bienen weiblich sind. Die Rolle der Drohnen war weiter unklar, ebenso wie die tatsächlichen Geschlechterrollen innerhalb des Bienenstocks – immerhin konnte man in den Stock nicht hineinsehen. Deshalb wurde spekuliert, was die Aufgaben innerhalb des Stocks anging, am liebsten in Richtung des eigenen, patriarchalen Weltbilds. Die meisten Beiträge über Bienenhaltung richteten sich im England des 17. Jahrhunderts an Frauen – denn sie kümmerten sich in der Regel um die Bienen. Trotzdem stellten die meisten Texte klar, dass Bienen eine Ausnahme darstellen: Frauen könnten nur über Männer entscheiden, wenn die Männer nicht dazu imstande wären. 

Imkerinnen um 1910

Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die Rolle der Frau in England sehr viel stärker eingeengt. Sie sollte nur die gesellschaftlichen Konventionen aufrecht erhalten und hatte keine eigene Sexualität – das war Männersache, und den Männern hatten sich die Frauen unterzuordnen. Dass die Bienenkönigin als einzige für den Fortbestand des Volkes sorgte und mehrere Drohnen gleichzeitig hatte, war ein Stein des Anstoßes. Verzweifelt versuchten zeitgenössische Autoren, weiterhin aus der Natur die ideale Gesellschaft abzuleiten, ohne dabei ihr eigenes Weltbild zu beschädigen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts starben diese Versuche dann schließlich langsam aus.

Eigenständige Bienenzüchterin oder „Gehilfin des Mannes”?

Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde auch in der Imkerei die steigende Bedeutung der Emanzipation sichtbar. In Zeitschriften über Bienen und Imkerei erschienen erste Artikel darüber, welche Rolle die Frau in der Bienenzucht spielt. 
Die Meinungen gingen auseinander: Die einen fanden, Frauen können sehr wohl eigene Bienenvölker züchten und sich um sie kümmern, kein Problem! Dafür wurden auch mehr oder weniger zweifelhafte Argumente gebracht. Beispielsweise liege es in der “mütterlichen” Natur der Frau, sich kleinteiliger Arbeit zu widmen und sich zu kümmern. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob sich die Frau um Kinder oder Bienen kümmert. 
Andere sahen die Rolle der Frau in der Imkerei als “Gehilfin des Mannes”, wie auch in anderen Bereichen des Lebens. Männer wie Frauen hatten nach damaliger Auffassung jeweils eigene Aufgaben und Rückzugsorte, die weitgehend voneinander getrennt waren. Am Bienenstand komme man zusammen und kann ein Hobby teilen. 

Emanzipation der Imkerinnen

Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs fanden sich weitere Argumente für Frauen am Bienenstand. Es fehlte schlicht und ergreifend an Männern, die ihren eigentlichen Berufen nachgingen – die meisten von ihnen waren ja als Soldaten im Krieg. Frauen sprangen für ihre Männer ein und kümmerten sich um die Bienenvölker. Oft wurde das auch als Mittel der Propaganda missbraucht: Die Imkerfrau solle ihren Platz an der “Front des Bienenstandes” einnehmen.
In den USA gab es ähnliche Entwicklungen, vor allem während des Amerikanischen Bürgerkriegs. Hier meldeten noch im 19. Jahrhundert einige Frauen Patente auf eigene Beuten an. Eine dieser Vorreiterin der amerikanischen Imkerinnen war Lucinda Harrison. Im Jahr 1871 kaufte sie ohne das Wissen ihres Ehemannes Bienen – und das mit gutem Grund. Ihr Mann war zunächst gegen das neue Hobby seiner Frau, aber gewöhnte sich über die Jahre an die Biene und half Lucinda sogar. Über mehrere Jahre hatten sie rund 100 Bienenvölker. Außerdem schrieb sie für einige Zeitschriften über Bienen und Gartenbau. 

Imkerinnen und Imker

Lange hatte Imkerei mit einem verstaubten Image zu kämpfen, aber in den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Imker immer weiter gestiegen: Das einstige Altmänner-Hobby wurde zum Trend. Der Deutsche Imkerbund verzeichnet außerdem immer mehr Imkerinnen. Im Jahr 2009 waren lediglich fünf Prozent der Gesamtmitglieder in Deutschland Frauen – bis 2018 stieg der Anteil auf 20 Prozent. Besonders in Großstädten ist der Frauenanteil hoch: Fast ein Drittel der Mitglieder des Deutschen Imkerbundes hier sind weiblich. 
Noch ist Imkerei also eine Männerdomäne – aber die Strukturen verändern sich, nicht nur bei der Geschlechterverteilung. Der Trend geht zu “Urban Beekeeping” – Bienenhaltung in der Stadt. Für viele, besonders in der Großstadt, ist das ein ideales Hobby, das sogar noch gut für die Umwelt ist. 


Wer mehr über die Imkerei allgemein in Deutschland von der Kaiserzeit bis heute wissen möchte, der findet im Buch “Honig für das Volk” von Rainer Stripf viele spannende historische Aspekte.

Bilder: 
Bild 1:
Bild 183-J0408-0008-001 von Bundesarchiv (CC-BY-SA 3.0)

Ein Beitrag von Zoe von nearBees
vom 14.08.2020