Die traditionelle Karakovan-Imkerei in der Türkei

Mit Bienen um die Welt

Landschaft in der Türkei

Honig ist seit jeher ein begehrtes Gut: Schon Höhlenmalereien, die auf die Zeit zwischen 10.000 und 6.000 v. Chr. datiert werden, zeigen wie Steinzeitmenschen ein Bienennest ausrauben, um an den süßen Honig zu kommen. Mit der Sesshaftwerdung der Menschen entwickelte sich auch die Bienenhaltung, die für beide Seiten Vorteile mit sich brachte: Während die Biene Schutz und Pflege erhielt, kam der Mensch im Gegenzug einfacher an den leckeren Honig. 
Über die Zeit hinweg haben sich unter den verschiedensten natürlichen Gegebenheiten und kulturellen Hintergründen einzigartige Imkereipraktiken entwickelt, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Wie wird Bienenhaltung also in anderen Ländern betrieben? Altbewährte Imkerraditionen, neue Trends bei der Bienenhaltung, spannende Kuriositäten oder sogar lebensgefährliche Honigernten - wir nehmen Dich mit auf eine spannende Reise rund um die Welt. Heute: die Türkei.

Länderfakt

Ausgehöhlte Baumstämme dienen in der Türkei als Bienenbeuten.

Steckbrief

Land: Türkei
Klima: warm, gemäßigt
Heimische Honigbienenarten: Kaukasische Biene (Apis mellifera caucasica), Anatolische Biene (Apis mellifera anatolica)
Trachtpflanzen: Kastanie, Wiesenkräuter, Rhododendron
“Biene” in der Landessprache: arı
“Honig” in der Landessprache: bal

Türkisches Bienenbuffet

Während viele die Türkei nur für die turbulente Stadt Istanbul oder die sandigen Strände von All-inclusive-Hotels kennen, hat sie landschaftlich weit mehr zu bieten. Egal ob türkisblaue Wasserfälle oder einzigartige Vulkanlandschaften - die türkische Natur ist der Inbegriff von Vielfalt. 
Im Nordosten des Landes, zwischen dem Schwarzen Meer und den Hochebenen Erzurums liegt die Provinz Rize. Dort herrscht ein subtropisches Klima - es ist also warm, aber die Niedeschlagsrate ist dennoch hoch, sodass das Gebiet sehr fruchtbar und optimal für Landwirtschaft geeignet ist. Zu den Hauptwirtschaftszweigen in Rize zählt der Anbau von Kiwis und Tee: Auf den zahlreichen Plantagen finden die Bienen jede Menge kostbaren Pollen und Nektar.
Doch auch die höher gelegenen Weiden geben mit etwa 530 Pflanzenarten ein vielfältiges Nahrungsangebot für bestäubende Insekten her. Die Wälder sind geprägt von Buchen, Tannen, Erlen und Kastanien, deren Holz ein wichtiger Bestandteil der selbstgebauten Karakovan-Beute ist.

Die dunklen Beuten der Türkei

Die Imkereitradition in der Türkei  ist naturnah und geprägt von einer ganzheitlichen Herangehensweise. Dort gelten die Bienen als heilig - ein von Bienen bewohntes Haus soll von Reichtum begünstigt werden, so der Volksglaube. Der besondere Stellenwert der Bienen ist vielleicht auch der Grund für die ganz und gar an der Natur orientierte Imkerei.

Es gibt zwei verschiedene Arten der Karakovan-Beuten, die abhängig von der Region für die Bienenhaltung verwendet werden. Beide haben aber gemeinsam, dass das Innere aufgrund ihrer Bauweise in völlige Dunkelheit getaucht sind. Daher stammt auch der Name der Bienenbehausungen: Übersetzt bedeutet Karakovan-Beute so viel wie dunkle oder schwarze Beute.
In feuchten und bewaldeten Regionen werden vorzugsweise Blockbienenstöcke verwendet.  Dazu wird in alte, hohle Baumstämme von Kastanie, Linde oder Hainbuche ein Loch gebohrt, das den Eingang in das spätere Heim der Bienen bildet. Während die Länge der Baumstämme in etwa der einer normalen Magazinbeute entspricht, kann die Dicke je nach Durchmesser des Gehölzes variabel sein. Um die Beute verschließen zu können, werden Vorder- und Rückseite des ausgehöhlten Stamms mit passenden Holzbrettern verschlossen, sodass es in der Karakovan-Beute dunkel bleibt.
Während in bewaldeten Regionen wie im Gebirge um Rize die Beuten aus Baumstämmen bestehen, werden in Gebieten wie Südanatolien bevorzugt Korbbeuten zur Bienenhaltung eingesetzt. Für diese Variante der Karakovan-Beuten werden Gehölze wie Weide, Haselnuss, aber auch Schilf verwendet und geflochten. Ähnlich wie bei den alten Bienenkörben der Lüneburger Heide werden die zylinder- oder kegelförmigen Gebilde mit Tierdung oder einem Erdgemisch überzogen. Diese Beschichtung soll die Bienen im Winter vor Kälte und im Sommer vor Hitze schützen. Ein kleines Loch dient den Bienen als Eingang in die Korbbeuten, in denen es während der gesamten Honigproduktion dunkel ist. Wie die Blockbeuten bestehen auch die Bienenkörbe ausschließlich aus nachhaltigen Materialien. Früher fanden wilde Honigbienenvölker der Kaukasischen Biene die Beuten von selbst und wurden bis zur Honigernte Ende Juni vom Imker in Ruhe gelassen. Heute müssen die Imker selbst Bienenvölker kaufen, um ihre Beuten im Frühjahr zu füllen. 

Beuten aus Baumstämmen

Der Geschmack der Gebirgsregion

In den türkischen Wäldern sind nicht nur die Imker an Honig interessiert: Um die Bienen vor hungrigen Bären zu schützen, werden die Beuten in der Gebirgsregion um Rize in einer Höhe von rund 10-15 Metern angebracht. Fixiert an Bäumen oder Felswänden sind die Bienenbehausungen so für die Honigdiebe nur schwer zu erreichen. Einige Imker bauen um die Bäume herum kleine Plattformen, um dort gleich mehrere Karakovan-Beuten platzieren zu können. Zur Ernte des wertvollen Honigs klettern die Imker mit provisorischen Leitern zu ihren dunklen Beuten hinauf. Die Höhe ist dabei die größte Herausforderung, denn die Kaukasische Biene ist für ihre Sanftmut bekannt und lässt die Bienenhalter bei der Honigernte gewähren. Der Honig aus der Karakovan-Beuten ist heiß begehrt: Mit den verschiedensten Aromen der türkischen Hochebenen spiegelt sich die Artenvielfalt der Landschaft im Geschmack wieder. Die Naturbelassenheit des Karakovan-Honigs, der häufig in runden Wabenscheiben verkauft wird, hat allerdings mit zu 100 Euro pro Kilogramm einen wirklich stolzen Preis

Runde Waben

Ein Beitrag von Sarah von nearBees
vom 07.02.2023
aus der Serie „Mit Bienen um die Welt“