Beelining

Die Suche nach dem Bienennest

Natürliches Nest

Es gibt Honigbienen und es gibt Wildbienen. Richtig oder Falsch? Falsch, denn es gibt auch noch eine dritte Art, nämlich die wilden Honigbienen, also quasi die Urform, aus der sich die domestizierte Honigbiene entwickelt hat. Die wilde Honigbiene unterscheidet sich von der domestizierten nur in einem Punkt: sie lebt wild und in natürlichen Höhlen. Wie man sie aufspüren kann und wie das auch den domestizierten Honigbienen helfen kann, erfährst Du hier.

Wilde Honigbienen in Deutschland

Honigbienen leben in Holzkisten und werden vom Imker gehegt und gepflegt. Das ist das Bild von Honigbienen, welches wir in Deutschland kennen. Doch viele wissen nicht, dass es auch in Deutschland noch wildlebende Honigbienen gibt. Vor einigen hundert Jahren, also zur Zeit des Mittelalters, war das Handwerk des Zeidlers noch hoch angesehen. Die mittelalterlichen Imker haben Löcher in Bäume geschlagen und gehofft, dass dort Bienen einziehen. Anschließend haben sie den Honig der dort eingezogenen Bienen geerntet. Doch irgendwann kam der Mensch auf die Idee Bienen zu kultivieren und hat Holzbeuten gebaut, die den Gewinn des Honigs deutlich vereinfacht hat. Denn die Imker konnten nun ihre Bienen am Boden und in der Nähe des Wohnortes aufstellen und mussten nicht in schwindelerregender Höhe im Wald den Honig ernten.
Dadurch und durch die zunehmende Bebauung ländlicher Räume hat sich die Zahl der wildlebenden Honigbienen verringert. Über wildlebende Völker von Honigbienen in Deutschland und ganz Mitteleuropa gibt es nicht viele Informationen. Es ist nicht einmal bekannt, wie viele wildlebende Völker es überhaupt gibt. Aus genau diesem Grund ist das Forschungsprojekt BEEtrees ins Leben gerufen worden. Das Forscherteam von HOBOS (HOneyBee Online Studies) versucht herauszufinden, wie viele wildlebenden Bienenvölker es in Mitteleuropa gibt. Das Team schätzt demnach den Bestand der wildlebenden Honigbienen in Deutschland auf etwa 4.400 - 5.600 Völker. Um dies herauszufinden, haben sie eine ganz besondere Methode benutzt, die schon vor hunderten von Jahren zum Einsatz kam - das sogenannten Beelining.

Honigwabe

Was ist Beelining und wie geht man dabei vor?

Früher diente das Beelining zum Aufspüren wilder Honigbienenvölker in den Wäldern. Heute avanciert es zum Hobby von Bienenfreunden und Forschern, die Zeit in der Natur verbringen und nebenher das Leben der Bienen erforschen möchten. Dieses Hobby braucht eine gute Vorbereitung und eine ganz spezielle Ausrüstung.
Zum Beelining benötigt man muss zum Beispiel eine spezielle Beelining-Box, mit der die Bienen eingefangen werden können. Diese Box besteht aus zwei Kammern, die durch einen Trennschieber voneinander getrennt sind. Die hintere Kammer, die zum Bienen sammeln gedacht ist, besitzt ein Fenster aus Plexiglas, vor welches eine Abdunklungsklappe geschoben werden kann. Die vordere Kammer ist vorne offen, kann aber ebenfalls mit einer Klappe verschlossen werden. Dies ist die Kammer zum Fangen und Füttern der Bienen.
Zum Anlocken der Bienen benötigt man zusätzlich ein kleines Stück Bienenwabe oder alternativ einen Legobaustein oder Ähnliches. Dort hinein träufelt man Zuckerlösung, die mit Duftöl versetzt ist. Ebenfalls zur Ausrüstung eines modernen Beeliners gehören Zeichenstifte (um die Bienen markieren und später wiedererkennen zu können), Papier und Stifte für Notizen und eine Uhr. Weithin sind auch ein GPS-Gerät, eine Karte und ein Kompass hilfreich. 

Notizblock

Kompass

Damit ein Beeliner herausfinden kann, wo die Bienen ihre Behausung haben, sind mehrere Schritte notwendig. Zunächst müssen einige Bienen eingefangen werden. Dazu sucht man sich eine Biene auf einer Blüte und fängt sie in der Box ein. Sobald eine Biene gefangen ist, wird die vordere Klappe geschlossen und der Trennschieber zur zweiten Kammer geöffnet. Da die hintere Kammer durch das Fenster hell ist, wird die Biene versuchen durch den hinteren Teil wieder nach draußen zu gelangen. Dann kann der Trennschieber wieder vorgeschoben werden und das Fenster der hinteren Kammer mit der Abdunklungsklappe verdeckt werden. So ist die erste Biene gefangen. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis fünf bis zehn Bienen eingefangen sind.
Als nächstes werden die Bienen gefüttert. Dazu legt man den Fütterer, also die Wabe oder den Legostein, mit Zuckerwasser gefüllt, in die vordere Kammer. Dann wird der Trennschieber entfernt und im Dunkeln erkunden die Bienen die Kammer und tanken ihren Honigmagen mit dem Zuckerwasser voll. Dazu brauchen sie etwa fünf bis zehn Minuten. Anschließend wird die Box geöffnet gefolgt vom spannendsten Moment: fliegt eine Biene sofort weg, so wird sie nicht mehr zurückkommen. Wenn sie aber in größer werdenden Kreisen um die Box herumfliegt, dann orientiert sie sich und wird nach ungefähr einer Viertelstunde zurück zur Futterquelle kommen. Dabei wird sie weitere Sammlerinnen mitbringen, die ebenfalls das Zuckerwasser aufnehmen werden. Wenn dies geschieht, ist der erste Schritt geschafft: eine künstliche Futterquelle ist etabliert.
Im nächsten Schritt werden die Bienen markiert und beobachtet. Denn die Bienen werden häufiger kommen, um den süßen Nektar in ihren Bienenstock zu tragen. Dann können sie markiert werden. Anschließend werden die Bienen beobachtet und jeweils notiert, wie lange sie für einen Rundflug brauchen und in welche Richtung sie fliegen.
Nachdem die Bienen eine Weile beobachtet wurden und ein Überblick über die Flugrichtung gewonnen ist, wartet man, bis ein paar Bienen in der vorderen Kammer Nektar aufnehmen und schließt dann die Box. Danach geht man einige Schritte in die Richtung aus der die schnellste Biene geflogen kam. Dort wird die Box dann wieder aufgestellt, geöffnet und die Bienen wieder beobachtet. Beträgt die Flugdauer der schnellsten Biene unter drei Minuten, befindet man sich in unmittelbarer Nähe zum Stock. Dann wird nach dem Nest gesucht. Diese befinden sich meist in Baumhöhlen. 
Mit dieser aufwendigen aber effektiven Methode lassen sich Bienenvölker in der Natur lokalisieren. Doch warum betreiben Forscher und Hobby-Beeliner diesen Aufwand?

Wilde Bienen sind resistenter

Über die Jahrhunderte hat der Mensch die Honigbiene immer weiter gezüchtet und so dafür gesorgt, dass sie weniger aggressiv ist, fleißiger Honig sammelt und vieles mehr. Dadurch sind aber die natürlichen Instinkte weitestgehend verschwunden, sodass die Honigbiene heutzutage auf die Pflege des Imkers angewiesen ist. Durch die eingeschleppte Varroamilbe oder Krankheiten wie die Faulbrut sind jährlich tausende von Völkern bedroht. Wie kann es also sein, dass es immer noch (oder wieder) wilde Honigbienen gibt, denen dies nichts auszumachen scheint? Forscher gehen davon aus, dass einige der wilden Völker aus ehemaligen Wirtschaftsvölkern stammen, die geschwärmt sind. Ein Bienenschwarm besteht aus den stärksten Bienen, da diese den Stock verlassen und ein neues Nest bauen können. So sind in Waldnähe vermutlich unbemerkt Schwärme entwischt, die sich im nahen Wald eine neue Bleibe gesucht haben. Über die Jahre haben sich diese Völker dann immer weiter in den Wald gezogen und immer wieder neue Schwärme gebildet. So kommen die starken Völker weniger in Kontakt mit domestizierten Honigbienen und können sich bei diesen nicht mit Faulbrut infizieren oder Varroen in den eigenen Stock schleppen.

Biene auf Wabe

Wilde Honigbienen sind, im Gegensatz zu domestizierten und gezüchteten Bienen, nicht auf die Hilfe eines Imkers angewiesen. Sie leben in Symbiose mit vielen anderen Tierarten, sodass jede Art auf seine Weise profitieren kann. Die natürlichen Behausungen der wilden Honigbienen sind zum Beispiel häufig verlassene Nisthöhlen des Schwarzspechtes. Doch was passiert, wenn ein Bienenvolk stirbt? Die Nisthöhle ist wieder frei, doch durch den alten Wabenbau kann sich dort kein neuer Schwarm niederlassen. Hier kommt die Wachsmotte ins Spiel, die, vom Geruch der Waben angelockt, ihre Eier in die alten Waben legt. Die Raupen ernähren sich dann von den von geschlüpften Bienen zurückgelassenen Puppenhäutchen und Pollenresten und fressen sich so durch den alten Wabenbau hindurch. Dadurch wird er abgebaut und die Höhle wird frei für das nächste Bienenvolk.
Durch das Aufspüren und Beobachten der wildlebenden Bienenvölker können Forscher wichtige Erkenntnisse über die natürliche Entwicklung und Selektion der Bienen gewinnen. Vielleicht helfen diese Resultate ja auch den Imkern bei ihrer Arbeit an domestizierten Bienenvölkern.

Bilder
Header: Bilby - Natural Beehive (CC BY 3.0)

Ein Beitrag von Kristina von nearBees
vom 07.09.2018