Freiheit für die Honigbiene
Auswilderung zum Arterhalt?
Bienen aussetzen, um sie zu retten? Klingt ein wenig skurril, ist aber genau die Idee von “free the bees”. Laut Vereinsgründer André Wermelinger sind wilde Honigbienen in seiner Heimat, der Schweiz, praktisch ausgestorben. Aus diesem Grund ruft er dazu auf Bienenvölker auszuwildern und so dem Insektensterben entgegenzuwirken. Wie das geht? André Wermelinger ist der Auffassung, dass die Instinkte der Tiere, sowie die natürliche Selektion, von Menschen unterbunden werden. Die auf Sanftmut und Honigertrag gezüchteten Bienen hätten verlernt, sich selbst zu verteidigen. Das sei neben der Landwirtschaft einer der verheerendsten Faktoren für das Bienensterben. Denn ohne die Bienenhaltung durch den Menschen, wäre zum einen die Varroamilbe nicht aus Asien nach Europa gekommen und zum anderen würden es die Bienenvölker möglicherweise durch Selektion schaffen sich gegen den Schädling zur Wehr zu setzen, wie es ihr asiatischer Verwandter geschafft hat. Für André Wermelinger steht fest, dass nur eine Auswilderung der domestizierten Honigbiene ihr Überleben sichern kann. Dabei hofft er, dass sich durch eben jene natürliche Selektion starke Völker vermehren, die auch der Varroamilbe und anderen Krankheiten, wie der Faulbrut, gewachsen sind. Er setzt auf eine Form des Imkerns, die in Europa schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nur noch selten und in bestimmten Ländern praktiziert wird: die Zeidlerei. Dazu hat er sich Unterstützung aus Polen geholt, da dort das Handwerk des Zeidlers noch praktiziert wird.
Die Kunst der Zeidler
Bereits vor 5.000 Jahren haben die Menschen Honig und Wachs von wilden Bienen gesammelt. Zu dieser Zeit wurden laut neuesten Forschungen Holzröhren (Klotzstülper) benutzt, die aus gehackten Baumstämmen hergestellt wurden und mit eingefangenen Bienenschwärmen besetzt wurden.
Im Mittelalter entwickelte sich aus dieser Frühform der Imkerei die Zunft der Zeidler. Die Zeidler haben auf das Handwerk ihrer Vorfahren aufgebaut und schafften es so Bienenschwärme anzulocken und den Honig der halbwilden Bienen einzusammeln. Dazu schlugen sie, anders als in der Steinzeit, tiefe Kerben in lebende Bäume im Wald - so entstanden die sogenannten Klotzbeuten - und hofften auf einen Bienenschwarm, der in die Baumhöhle einziehen würde. Dem konnten sie dann ihren Honig abnehmen und teuer verkaufen, denn Honig war nicht nur ein beliebtes Genussmittel, sondern fand auch in der Medizin Anwendung. Zusätzlich dazu war auch das Wachs der Bienenwaben im Mittelalter sehr begehrt, da daraus Kerzen für die Kirchen hergestellt werden konnten.
Doch mit dem Ende des Mittelalters waren auch die glorreichen Tage der Zeidler gezählt. Der einstig angesehene Beruf fand in Martin Luther einen großen Gegenspieler. Er verkündete beispielsweise während der Reformation, dass Kirchen auf übermäßiges Licht verzichten sollten. Dadurch sank der Bedarf an Kerzenwachs rasant. Und auch Honig als Süßungsmittel wurde mit der Kolonialisierung durch Zucker ersetzt. Ebenso kam Met aus der Mode, da Weinbau und Bierbrauereien immer mehr an Bedeutung gewannen. Im Zuge der zunehmenden Industrialisierung entdeckten auch andere Berufsgruppen, wie Köhler oder Glasbläser, den Wald für sich und vertrieben die Zeidler, die nun begannen Bienen in Stöcken bei Häusern oder Klöstern aufzustellen. So wurde nicht nur Honig gewonnen, sondern auch für mehr Ertrag in den umliegenden Obst- und Gemüsegärten gesorgt. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist diese Form der Imkerei in Europa weitestgehend verschwunden. Sie ist der erwerbsmäßigen Imkerei mit domestizierten Völkern gewichen.
Ein Volk ohne (imkerliche) Führung?
Der Verein “free the bees” erfährt in seinem Engagement sowohl Zuspruch, als auch heftigen Gegenwind - was ist also dran, an der Zukunft der wilden Honigbienen? Können domestizierte Honigbienen folgenlos ausgewildert werden? Es bräuchte wohl viele Völker auf engstem Raum, damit die besser angepassten, vitalen Honigbienen aus kranken und schwachen Völkern, sich zu einem neuen und resistenteren Volk vereinen könnten.
Traditionelle Imker sehen herrenlosen, wilde Bienenvölker eher skeptisch, denn die europäischen Honigbienen sind über Jahrhunderte so gezüchtet worden, dass sie ohne die Fürsorge eines Imkers langfristig nicht überlebensfähig sind. Wild lebende Bienenvölker würden nicht gegen Schädlinge und Parasiten behandelt werden, was die Völker schwächt, sodass die überlebenden Bienen bei domestizierten Völkern unterschlüpfen würden und Krankheiten auf gesunde Völker übertragen könnten. Zudem wäre auch die Honigernte erschwert bzw. unmöglich und ein ganzer Lebensmittelzweig würde zusammenbrechen, wenn es keine domestizierten Honigbienen mehr gäbe.
Es bleibt also nicht nur die Frage zu klären, ob unsere heimischen Honigbienen in der Wildnis überhaupt überleben können, sondern auch, ob der Mensch dazu bereit wäre ohne Honig zu leben und welche Folgen die Abschaffung der Imkerei mit sich bringen würde. Denn: Können ausgewilderte Bienen die gleiche Bestäubungsleistung erbringen, die gezüchtete Völker leisten? Neben der Honigherstellung sorgen die Bienen in unserer Natur auch für reiche Ernte. Das würde ohne die intensive Bestäubung durch Bienen ebenfalls weniger werden.
Auch in Deutschland gibt es mittlerweile Projekte, wie die Freibeuter von Mellifera e.V., die die sich damit beschäftigen, ob ein Auswildern von Bienen sinnvoll und möglich ist. Bisher lassen die Ergebnisse aus dem, im vergangenen Jahr gestarteten Projekt aber noch keine aussagekräftigen Rückschlüsse zu und es bleibt abzuwarten ob die Auswilderung von Völkern den Rückgang der Bienen aufhalten könnten.
Bilder
Bild 1: Gemälde von Pieter Bruegel - Die Bienenzüchter